- künstliche Niere: Blutwäsche bei Nierenversagen
- künstliche Niere: Blutwäsche bei NierenversagenDas bisher ausführlich besprochene Herz ist sicherlich eines der wichtigsten Organe des Menschen, und mit dem Herz ist der Mensch auch emotional in besonderer Weise verbunden. Aus diesem Grund stehen Herzoperationen, künstliche Herzen oder Herzschrittmacher oft im Vordergrund der Medizintechnik. Aber auch zur Unterstützung oder gar zum Ersatz von anderen Organen hat die Medizintechnik in den letzten Jahrzehnten erstaunliche Fortschritte gemacht. Eine fast schon selbstverständliche Anwendung ist die Dialyse oder Blutwäsche. Doch obwohl sie weit verbreitet ist und mittlerweile zur klinischen Routine gehört, liegen ihr ausgefeilte und hochmoderne technologische Konzepte zugrunde, die eine nähere Betrachtung lohnen.Im menschlichen Körper dienen die Nieren hauptsächlich dazu, kleine Moleküle, meistens Abfallprodukte des Stoffwechsels, und Wasser aus dem Blut zu entfernen. Bei einem akuten Nierenversagen tritt der Tod nach ein bis zwei Wochen ein. Als Ersatz für die Reinigungsfunktion einer ausgefallenen Niere benutzt man eine »künstliche Niere«; dabei wird das Blut aus dem Körper heraus in eine Maschine — die künstliche Niere — geleitet, dort entgiftet und entwässert und danach zurück in den Körper gepumpt. Der ganze Vorgang heißt in der medizinischen Fachsprache »Dialyse« (von griechisch dialysis: Auflösung, Trennung), da man die schädlichen Blutbestandteile von den unschädlichen trennt. Bei totalem Nierenversagen muss diese Blutwäsche drei bis viermal wöchentlich vorgenommen werden, sie dauert etwa vier Stunden.Gesunde Niere und NierenversagenDie Nieren haben die Aufgabe, die Zusammensetzung der extrazellulären Flüssigkeit im Körper — oder, vereinfacht gesagt, des Bluts — konstant zu halten. Sie scheiden die nicht mehr verwertbaren Endprodukte des Stoffwechsels, wie beispielsweise Harnstoff, Harnsäure oder Kreatinin, aus. Diese Stoffe werden als harnpflichtige Substanzen bezeichnet, da ihr Verbleiben im Organismus zu Vergiftungserscheinungen führen würde. Das Gleiche gilt für viele aufgenommene Fremdstoffe, die nicht abgebaut und nur über die Nieren ausgeschieden werden können. Die Nieren scheiden aber auch Bedarfsstoffe aus, beispielsweise Kochsalz, Phosphate oder Wasser; diese Stoffe sind in geringen Menge unschädlich oder sogar notwendig und nur in zu hoher Konzentration schädlich. Die Ausscheidung dieser Stoffe wird durch Hormone kontrolliert: falls sie im Überschuss vorhanden sind, werden sie vermehrt ausgeschieden und bei Mangel weitgehend zurückgehalten. Das Wasser dient bei der Ausscheidung auch als Lösungsmittel für die auszuscheidenden Stoffe. Des Weiteren regulieren die Nieren den pH-Wert des Bluts, der den Säuregehalt im Blut angibt. Der Organismus bildet erheblich mehr saure als basische Substanzen, daher müssen die Nieren zur Aufrechterhaltung des leicht basischen Blut-pH-Werts laufend H+-Ionen ausscheiden. Große Moleküle, etwa Proteine oder zelluläre Blutbestandteile wie die roten Blutkörperchen, werden in den Nieren auf jeden Fall zurückgehalten; falls sie im Urin erscheinen, liegt eine Störung der Nieren vor.Durch die kontrollierte Ausscheidung von Ionen und Wasser halten die Nieren die ionische Zusammensetzung, den osmotischen Druck und den pH-Wert des Bluts konstant. Im Durchschnitt werden täglich ungefähr 1,5 Liter Urin von den Nieren abgesondert.Die Nieren sind lebensnotwendige Organe; ihr totales Versagen führt, wie gesagt, innerhalb von ein bis zwei Wochen zum Tod. Gründe hierfür sind die Urämie genannte Anhäufung von harnpflichtigen Substanzen im Blut und der Anstieg der Konzentration an Natrium-, Kalium-, Sulfat- und Phosphationen. Weiterhin kommt es zu einer Zunahme des Volumens der extrazellulären Flüssigkeit und damit auch des Bluts und zu einem Absinken des pH-Werts (Blutversauerung oder urämische Acidose). Der Tod tritt meistens schon dann ein, wenn der pH-Wert des Bluts auf 7,0 gesunken ist.Aufbau einer künstlichen NiereBei einer künstlichen Niere wird ein außerhalb des Körpers gelegener Blutkreislauf zwischen der Armarterie und einer Armvene angelegt. Auf dem Weg von der Arterie zur Vene fließt das Blut durch die künstliche Niere und wird hierbei entgiftet und entwässert. Da die Behandlung mehrmals wöchentlich erfolgen muss, wird bei dem Patienten ein dauerhafter Gefäßzugang operativ angelegt, in den meisten Fällen eine Cimino-Fistel. Die eigentliche künstliche Niere besteht aus dem Blutkreislauf, einem Dialysatkreislauf, in dem die dem Blut entzogenen Stoffe ausgeleitet werden, und aus dem Dialysator, in dem die Trennung vor sich geht. Bei einer Dialyse wird das gesamte Blut des Patienten, im Mittel fünf Liter, etwa sechsmal durch das Gerät gepumpt.Das zu reinigende Blut des Patienten wird im Blutkreislauf mithilfe einer Rollerpumpe von der Armarterie zum Dialysator gefördert. Dort wird es entsalzt und entwässert und danach über ein Manometer genanntes Druckmessgerät und einen Blasenfänger zurück in die Armvene geleitet. Das Manometer dient zur Blutdruckmessung; der Blasenfänger unterbricht den Blutkreislauf, sobald er Luftblasen oder Schaum im Blut entdeckt, welche für den Patienten tödlich wären.Im Dialysator finden die eigentliche Entgiftung und Entwässerung statt. Eine halbdurchlässige Membran, die für kleine Moleküle durchlässig ist, große Moleküle aber zurückhält, trennt hier den Blutkreislauf von dem gegenläufigen Dialysatkreislauf. Das Dialysat fließt entgegengesetzt zu dem Blutkreislauf. Es enthält weniger kleine Moleküle als das Blut, sodass die kleinen Moleküle des Bluts in das Dialysat übertreten. Wenn der Druck auf der Blutseite der halbdurchlässigen Membran höher ist als auf der Dialysatseite, wird auch Wasser ins Dialysat gepumpt. Die Dialysatoren gibt es als Plattendialysatoren und als Kapillardialysatoren. Bei Plattendialysatoren werden das Blut und das Dialysat — durch die halbdurchlässige Membran voneinander getrennt — durch mehrlagige flache Folienpakete gepumpt. Die häufiger eingesetzten Kapillardialysatoren bestehen aus etwa 10 000 Hohlfasern, die sich in einem Rohr befinden. In den 0,2 Millimeter dicken Hohlfasern fließt das Blut, in dem verbleibenden Innenraum des Rohres im Gegenstrom das Dialysat. Die Wände der Hohlfasern bilden in diesem Falle die halbdurchlässige Membran. Die halbdurchlässigen Dialysemembranen bestehen aus schaumartigen Polymerstrukturen wie beispielsweise Cellulose oder Polyamid.Der DialysatkreislaufDas Dialysat wird aus einem Dialysatkonzentrat und entionisiertem Wasser bereitgestellt. Dadurch ist gewährleistet, dass das Dialysat die richtige Konzentration an Ionen und Elektrolyten enthält, was für die gewünschte Trennung im Dialysator wichtig ist. Kontrolliert wird die Konzentration mithilfe eines Leitfähigkeitsmessers im Dialysatstrom, aus dem außerdem störende Luftblasen mit einer Entgasungspumpe entfernt werden. Die Lösung wird zusätzlich noch auf Körpertemperatur erwärmt, um dem Blut keine Wärme zu entziehen. Ein Thermometer dient zur Kontrolle der Temperatur und ein Druckmessgerät zur Kontrolle des Drucks. Das Dialysat durchströmt nun den Dialysator und nimmt kleine Moleküle und überschüssiges Wasser auf. Ein Blutleckdetektor kontrolliert, ob sich Blut im Dialysat befindet, was auf eine defekte Membran hinweist. In einer Bilanzkammer wird schließlich das Volumen des Dialysats vor dem Dialysator mit dem Volumen nach dem Dialysator verglichen und auf diese Weise der Flüssigkeitsentzug ermittelt.Gesundheitliche Folgen einer DialysebehandlungEine künstliche Niere kann die Funktion der Nieren nicht in vollem Maß ersetzen, daher kommt es bei einer lang andauernden Behandlung zu schwer wiegenden Nebenwirkungen. Knochen- und Gelenkschmerzen sind weit verbreitet; das größte Risiko aber besteht in dem erhöhten Blutdruck, der zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führt. Aus diesem Grund wird die künstliche Niere nicht als Dauerlösung, sondern nur als Übergangslösung bis zu einer Nierentransplantation eingesetzt. Da diese aber wegen fehlender Spenderorgane bei vielen Patienten nicht durchgeführt werden kann, bleibt die künstliche Niere für eine große Zahl von Menschen eine lebensrettende Maschine.Dr. Harald Münch, Heidelberg und Dipl.-Phys. Renate Jerei, HeidelbergGrundlegende Informationen finden Sie unter:Herz-Lungen-Maschine für Operationen am offenen Herzen
Universal-Lexikon. 2012.